Politische Berichte Nr.1/2023 (PDF)31 kalend
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CEDEFOP: Institutionalisierte Kooperation

Rolf Gehring, Brüssel

Bezogen auf die Entwicklung der europäischen Institutionen waren und sind die Sozialpolitik oder die Bildungspolitik umstrittene Politikbereiche. Vor allem Italien setzte sich vor dem Hintergrund seiner ökonomischen Lage von Beginn an stark für eine eigenständige Sozialpolitik der EWG ein, um regionale Ungleichgewichte im Staatenverbund auszugleichen. Vor allem die Freizügigkeit war für das Land, mit einer damals vergleichsweise hohen Arbeitslosigkeit, wichtig. Aufgenommen wurden von den sechs Staaten Gründungsstaaten letztlich die Freizügigkeit, ein Sozialfonds und die Einrichtung der europäischen Investitionsbank. Ein Wirtschafts- und Sozialausschuss (WSA als beratender Ausschuss ohne Initiativecht) konnte nur gegen den deutlichen Widerstand der westdeutschen Regierung in den Römischen Verträgen verankert werden.

Bereits die ersten Initiativen der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl sahen vor dem Hintergrund des politisch gewollten Strukturwandels in der Stahlindustrie Mittel für die Berufsausbildung entlassener Beschäftigter vor. 1963 wird dann ein beratender Ausschuss eingerichtet, der die Ausarbeitung europäischer Maßnahmen auf dem Feld der Berufsbildung unterstützen soll. Neben den Fokus Stahlindustrie trat schnell die Landwirtschaft, deren Strukturwandel mit Studien, aber auch mit integrierenden Maßnahmen begleitet werden sollte. Für diese gab es allerdings keinen gemeinsamen Begriffsrahmen, der die unterschiedlichen Traditionen und institutionellen Systeme der beruflichen Bildung abbilden konnte.

1969 regte dann das WSA-Mitglied Marcelle Germozzi an, der Wirtschafts- und Sozialausschuss sollte sich direkt mit der Frage der Berufsbildung befassen. Und 1970 schlug die Fachgruppe für Sozialfragen dann die Bildung eines Europäischen Zentrums für Berufsbildungsforschung vor, das insbesondere eine bessere Koordinierung zwischen den Behörden, den Arbeitnehmern und den Arbeitgebern ermöglichen solle. Die Bildungsforschung sowie der Informations- und Erfahrungsaustausch sollten die zentralen Tätigkeitsfelder werden. Parallel arbeite der Rat 1970 an einem ersten Tätigkeitprogramm für den Bereich der Berufsbildung.

In den weiteren Debatten über den Charakter eines solchen Zentrums orientierte die Europäische Kommission auf ein zuarbeitendes Gremium („zentralisierte Einheit“), das ihre Arbeit stützen sollte, was vom WSA als „Anhängsel der Kommission“ apostrophiert wurde. Der WSA beharrte auf ein unabhängiges Gremium mit eigener Rechtspersönlichkeit, welches mit den Gemeinschaftsinstitutionen kooperieren solle. Dies traf die Sicht der meisten Mitgliedsstaaten, die die Befugnisse der Kommission begrenzen und den zwischenstaatlichen Charakter der institutionellen europäischen Entwicklung betonen wollten. Am 10. Februar 1975 erließ der Rat die Verordnung über die Errichtung eines Europäischen Zentrums für die Förderung der Berufsbildung (Cedefop). Der Sitz des Zentrums wurde West-Berlin.

Das erste Arbeitsprogramm fokussierte auf das Problem der Jugendarbeitslosigkeit. Der Verwaltungsrat vertrat die Ansicht, „das sollte der Harmonisierung keinen ungebührlichen Vorrang einräumen, sondern der Art und der Unterschiedlichkeit der Maßnahmen und Gegebenheiten in den verschiedenen Ländern Rechnung tragen“. Konkrete Aktivitäten wurden die Veröffentlichung eines Bulletins, die Sammlung, Verarbeitung und Verbreitung von Dokumenten sowie die Ausarbeitung von Studien. Es handelte sich also um ein eher vorsichtig formuliertes Programm, das Studien und Forschungsarbeiten betonte, aber keine Bestrebungen erkennen ließ, in nationale Politiken einzugreifen. Anfang der achtziger Jahre verschob sich der inhaltliche Fokus des Zentrums hin zu Fragen des Zusammenhangs von neuen Technologien und der Berufsbildung und der Möglichkeit der Harmonisierung von Qualifikationen. Information, Forschung und Zusammenarbeit bilden letztlich die zentralen Arbeitsfelder, wobei immer wieder Akzentuierungen vorgenommen werden, Mitte der 90er Jahre beispielsweise die Themen „Trends in der Kommunikationsentwicklung“, „Analysen der Berufsbildungssysteme“ und „Förderung der Kooperation“.

Die Europäische Kommission ist allerdings im Rahmen der Kooperation und eigener Initiativen (Europäischer Qualifikationsrahmen, Kreditpunktesystem für die Berufsbildung und eine Reihe weiterer Instrumente) stärker strukturbildend tätig.

Das Cedefop behält demgegenüber eine eigenständige Funktion und einen eigenständigen Standpunkt und bleibt für alle im Bereich der Berufsbildung Tätigen ein Bezugspunkt und Ansprechpartner.

Abb.(PDF): Alle Zitate aus: Antonio Vasori: Die Rolle der beruflichen Bildung in der europäischen Sozialpolitik und das CEDEFOP. In: Zur Geschichte der Beruflichen Bildung – Von der Divergenz zur Konvergenz, CEDEFOP 2004, Thessaloniki

Abb.(PDF): Faksimile: VERORDNUNG (EU) Nr. 1288/2013 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 11. Dezember 2013 zur Einrichtung von „Erasmus+“, dem Programm der Union für allgemeine und berufliche Bildung, Jugend und Sport, und zur Aufhebung der Beschlüsse Nr. 1719/2006/EG, Nr. 1720/2006/EG und Nr. 1298/2008/EG